Auswärtsspiel: BFC Dynamo – VfB Stuttgart

bernauerstrPokalsensation. Mit dieser Hoffnung steige ich aus der U-Bahnstation Bernauer Straße. Pokalsensation im über 700 Kilometer entfernten Ludwigspark. Ich kann nicht dabei sein, da ich zwei Monate lang in Berlin bin. Schon der Kauf der Dauerkarte war lange überlegt. Ich verpasse definitiv vier Spiele, zudem das „Spiel des Jahre“ gegen Werder Bremen. Trotzdem habe im letzten Moment zugeschlagen. Jetzt stehe ich am Mauerdenkmal, die Dauerkarte im Geldbeutel, die Gedanken in Saarbrücken.

Ich warte auf zwei Studienfreunde (darunter ein bekennender Anhänger der Trierer Eintracht), die es auch nach Berlin verschlagen hat. Es ist DFB-Pokalwochenende und wenn es halt nicht Saarbrücken sein kann, dann gibt es sicher irgendwo Ersatz. Ein Blick in den Kalender beantwortete die Frage vor einigen Tagen: Berliner Vertreter im Pokal ist der BFC Dynamo, der streitbarste und vielleicht unbeliebteste aller Berliner Vereine. Gegner ist der VfB Stuttgart. Es gibt sicher spannendere Partien im Pokal.

Hinter einem Tross Stuttgarter Fans, augenscheinlich von der Polizei als B- oder C-Fans eingeordnet, geht es zum Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark. Wir haben uns bislang nicht um Karten gekümmert und ziehen dem Tross nach. In der Schlange dann kurzes Staunen: Saarbrücken führt 1:0 gegen Bremen! Irgendwann am Kassenhäuschen müssen wir kurz schlucken: Nur Sitzplätze im Sportpark. Karten für den neutralen Block für 30 Euro, Karten für den Stuttgarter Block 15 Euro. Keine Ermäßigungen für Studenten. Kurze Überlegung und wenn wir zu geizig für die 30 Euro sind, passen wir ja auch ganz gut zu den Schwaben.

Im Stadion suchen wir dann nach dem richtigen Platz. Der Jahn-Sportpark ist zwar mit knapp 20.000 Plätzen kleiner als der Ludwigspark, aber ein feines Rund mit ansehnlicher Haupttribüne und überdachter Gegengerade. Beim Studium der Stadionzeitung fällt auf: Der BFC hat Ex-FCS-Abwehrspieler Philipp Haastrup verpflichtet, bekannt für seine nicht immer unfallfreie Spielweise in den Spielzeiten 2005/06 und 2006/2007 (beide Male stieg der FCS ab). Ein wenig enttäuscht ist der anwesende Trier-Fan, dass Nico Patschinski den Berliner Verein wieder verlassen hatte.

vfbblockIm Schwabenpublikum dann zwischen den Szenemenschen vom Prenzlauer Berg (ein geschätzter Schwabenanteil von 70 Prozent macht immer wieder die Runde) beobachten wir das Treiben auf dem Feld. Ein sehr euphorischer Stadionsprecher stimmt die Massen ein, der Schwabenblock begann lautstark, muss sich aber den Heimfans geschlagen geben. Nicht die Ultras des BFC Dynamo sind die Stimmungsgaranten, sondern die Gegengerade. Vermutlich durch das Dach verstärkt, aber auch bei wirklich jeder Aktion direkt entweder mit lauten „DYNAMO“-Rufen oder Pfiffen, sobald der Gegner am Ball ist. Kleine Ballgewinne oder Einwürfe des Oberligisten werden gleich bejubelt. Viel Mehr gibt es für den BFC auch zu Spielbeginn nicht. Nur einen Pfostenkracher nach einem Eckball – Ekstase im Sportpark. Das Stuttgarter Publikum bewegt sich irgendwo zwischen angestrengtem Support und wachsender Langeweile. Immerhin besorgt Vedad Ibisevic dann per Kopf das 1:0 zur Pause. Er war seinem Bewacher Haastrup mit Mühe entkommen. Gediegener Applaus bei den Gästen, kein großer Jubel.

sportparkMeine Stimmung ist nun auch vom Jubel entfernt. Durch einen meiner Begleiter erfahre ich, dass in der Saarbrücken der Ausgleich gefallen ist. 1:1 gegen Werder Bremen. Nun doch keine Sensation? Wäre auch zu schön gewesen. Das Spiel hat schon wieder begonnen, aber ich versuche nervös meine Twitter-Timeline zu aktualisieren. Ich verzweifle beim Versuch, schalte mehrmals das Smartphone an und aus. Vergeblich. Wir geben uns der Lektüre der Stadionzeitschrift hin. Namen wie „Kameradschaft Weinrotes Ost-Berlin“ inserieren in diesem 2-Euro-teuren Wunderwerk der Fußballliteratur. Eine Werbeannonce für einen Kapuzenpulli wirbt mit starken Argumenten: „Sie ist mit 64,90 € zwar sehr preisintensiv, jedoch qualitativ sehr hochwertig. Der Preis ist da schon sehr korrekt.“ Nun denn.

IMG_4727Inzwischen hat das in Halbzeit eins noch halbwegs muntere Spiel jeglichen Furor verloren. Der BFC Dynamo würde gerne mithalten, hat aber nicht die spielerischen Mittel. Stuttgart hat kein Interesse, sich zu sehr anzustrengen. Die Gegengerade ist immer noch laut, wenn sie es für richtig hält (bei Einwürfen, gewonnenen Bällen, Auswechslungen), in Reihen der mitgereisten Stuttgarter wird so mancher Versuch gestartet, doch noch einmal mitzugehen. Erhöht wird die Sangeslust dann auch nicht durch das 2:0, das erneut Vedad Ibisevic, diesmal per Strafstoß, erzielt. Spiel entschieden. Nicht so in Saarbrücken, wo es in die Verlängerung geht.

„Saarbrücken führt.“ Die Worte reißen mich kurz vor Spielschluss dann aus dem Schlaf. 2:1 durch Tim Stegerer. Das Zittern beginnt. Vor mir läuft ein schon entschiedenes Spiel, im Hintergrund und nur durch abstrakte Zahlen auf einem kleinen Bildschirm bekomme ich eine vage Ahnung davon, was im Saarland vor sich geht. Das Spiel auf dem Platz interessiert nun wenig, ich versuche Twitter nachzuladen. Das Internet geht wieder. Auf einmal heißt es: 3:1.

Das Spiel ist schon beendet, da sagt der Stadionsprecher das vermeintliche Zwischenergebnis durch. Wohlwollende Reaktionen für den FCS, hämische für Saarbrücken. Am Ende siegt Stuttgart nicht gerade berauschend, der BFC Dynamo feiert trotz Niederlage. Und es blieb so ruhig, dass der ein oder andere es fast langweilig fand. Wäre man doch besser in Saarbrücken gewesen.

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