Fanclub des Monats

IMG_3807In den vergangenen Tagen ist die Fanszene des 1. FC Saarbrücken in den öffentlichen Fokus geraten. Thema war die Ernennung des Fanclubs „Saarland Brigade“ zum „Fanclub des Monats“, mitsamt einer öffentlichen Übergabe des Preises in der Halbzeitpause des Spiels gegen Preußen Münster am 9. November 2013.  Drei Wochen später veröffentlichte ein Weblog namens „FCS.antiraciste“ einen offenen Brief an den Verein, in dem Rechercheinfos vermuten ließen, dass es bei der Saarland Brigade Fans gibt, die offen fremdenfeindliche und rassistische Gesinnungen zur Schau stellen. Es folgte ein Hin und Her, am Ende dessen die Saarland Brigade in einer Stellungnahme den Titel zurückgab, ein Mitglied aus dem Club rauswarf, die Fanbetreuung den Titel ganz unabhängig davon aber auch aberkannte. Einer der beiden Fanbeauftragten, Meiko Palm, kündigte zugleich an, sein Amt 2014 aufzugeben. Anbei der Link zum Blog von FCS.antiraciste, sowie den beiden Artikeln von Michael Kipp, Saarbrücker Zeitung, der die Geschehnisse unaufgeregt bespricht und – wie ich finde – richtig einordnet:

Warum ich gerade die beiden letzten Artikel herausheben möchte? Weil sie einerseits Teil einer differenzierten Betrachtung der Ereignisse sind, zu denen die Fanforen und andere Social-Media-Plattformen bislang nicht fähig waren. Keinem Autor eines Textes über dieses Thema, dürfte die Arbeit leicht fallen, da jeder, der das Problem benennt, von einer Seite gleich zum „Nestbeschmutzer“ gestempelt wird, die Verharmlosung vorhandener Probleme ebenfalls die Herabsetzung zum „Dulder“ zur Folge hat. Ein typisch deutscher Reflex.

Zunächst ist festzuhalten, dass die Fanbetreuung einen dicken Fehler begangen hat. Eine Auszeichnung einer umstrittenen Gruppe wie der Saarland Brigade am 9. November, dem Jahrestag der Reichspogromnacht, hat bei vielen Stadiongängern (eingeschlossen mir), Unbehagen verursacht. Es ließ schon auf eine fehlende Sensibilität für die Bedeutung dieses Tags schließen.

Entweder richtig oder gar nicht

Unabhängig davon, scheint auch der besagte Titel, der des „Fanclubs des Monats“ eine Auszeichnung von eher zweifelhaftem Wert zu sein. Die Saarland Brigade bekam den Titel für das Einrichten einer Fangarage in Gersweiler verliehen, auch andere Fanclubs mussten nur ein Vereinsheim eröffnen, um ausgezeichnet zu werden. Das mag für die jeweiligen Fanclubmitglieder durchaus aller Ehren wert sein, ist aber kein wirkliches gesellschaftliches Engagement, so wie es bei Einführung des Titels nahe lag. Die Fanbetreuung würde nicht nur sich damit einen Gefallen tun, künftig den Monatszyklus abzuschaffen und nur noch dann Fanclubs oder Initiativen auszuzeichnen, wenn sie relevante Aktionen im Stadion durchführen oder sich karitativ engagieren. Vielleicht gerade dann, wenn sie sich gegen Nazis im Stadion engagieren. Oder die Fanbetreuung schafft den unsäglichen Titel gleich ganz ab. Für diesen Schritt braucht es noch nicht mal einen hauptamtlichen Fanbetreuuer.

FCS braucht Engagement gegen Rechts

Ein Thema, was mir persönlich in der ganzen Diskussion leider auch missfallen hat, war die Vorgehensweise der Gruppe FCS.antiraciste. Dass sich hier Personen zusammengeschlossen haben, die sich gegen Nazis engagieren und auch beim 1. FC Saarbrücken auf vorhandene Probleme hinweisen, ist sehr zu begrüßen. Jeder Stadiongänger mit wachsamen Auge weiß, dass der Ludwigspark vielleicht weit davon entfernt ist, in Aachen oder Braunschweig zu sein. Aber es ist schlicht so, dass der Verein 1. FC Saarbrücken dieses Thema in den vergangenen Jahren komplett vernachlässigt hat und nicht mal mehr in seiner Stadionzeitung eine Auflistung verbotener Symbolik im Stadion abdruckt. Oder etwa seine Ordner darauf hinweist, auf den Einhalt jener Verbote zu achten. Einzig die Fankontaktstelle Innwurf ist in dieser Hinsicht aktiv.

Verfehlte Kommunikation

Diese Lücke will FCS.antiraciste nun füllen, wählt aber dafür nicht unbedingt eine Vorgehensweise, die ein zielgerichtetes Handeln vermuten lässt. Zum einen wurde bei der Veröffentlichung der Recherche fast nur auf Facebook-Informationen zurückgegriffen, teilweise schlichen sich inhaltliche Fehler ein. Das mag für die einen nicht den gesamten Charakter der Recherche betreffen, für mich stellt sich aber die Frage, wie genau und wie ordentlich recherchiert wurde. Zum anderen wurde in der Kommunikation mit dem Verein erst eine „persönliche Rücksprache“ angeboten, die dann aber aufgrund des Wunsches nach Anonymität doch unpersönlich ausfiel. Der vermeintliche Schutz der Anonymität erschwerte die Kommunikation beider Seite zusätzlich, auch wenn Meiko Palm seinerseits ein vertrauliches Vier-Augen-Gespräch angeboten hatte. FCS.antiraciste beförderte mit diesem Vorgehen nur im FCS-Umfeld die Spekulation darüber, wer hinter der Seite steckt. Dabei fiel auch mein Name.

Problematisches Outing

Ein weiteres Problem stellt für mich die Praxis des Nazi-Outings dar. Gerade im Fußballstadion ist der Effekt, den ein Outing als Rechtsextremist nach sich zieht, eher weniger hilfreich. Rechtsextreme können sich dank eines Outings in eine Opferrolle zurückziehen und bekommen so eher die Sympathien der breiten Masse an Fußballfans und Stadionzuschauern, die sich beim Mittel des Outings eher an einen mittelalterlichen Pranger erinnert fühlen, denn ein wirksames Engagement gegen Rassismus dahinter zu vermuten.

Doch das ist nicht die einzige Folge: Die „geouteten“ Rechten oder deren Umfeld werden öffentlich gebrandmarkt, sodass sie eher dazu tendieren, sich ihr Selbstwertgefühl in rechtsextremen Gruppen stärken zu lassen. Bei jüngeren Menschen, deren politisches Gedankengut noch nicht gefestigt ist, führt das im schlimmsten Falle dazu, dass diese endgültig in die rechte Szene abdriften. Hier erinnere ich mich an ein Heimspiel im Ludwigspark, bei dem ein jüngerer Fan im D-Block eine Reichskriegsflagge präsentierte. Umstehende griffen sofort ein und entrissen ihm die Fahne. Mitarbeiter des Fanprojekts überredeten den Jungen dazu, nicht den Block zu verlassen, sondern genau in diesem Umfeld zu bleiben und seinen Fehler einzugestehen. Besser eine Aufnahme in die Gruppe der Fans, als in die der Nazis.

Dass das Thema beim 1. FC Saarbrücken unumgänglich ist und auch von den Vereinsgremien aufgegriffen werden sollte, zeigten leider auch die Reaktionen in einigen Online-Foren. Dort waren nach dem Erscheinen von Michael Kipps Artikeln Beiträge zu lesen, in denen der Journalist als „FCK-Speichellecker“ beleidigt wurde und das Nazi-Problem als solches heruntergespielt wurde. Ganz nach dem Motto: Politik gehört nicht ins Stadion und Rassismus gibt es beim FCS nicht. Diese Fans, eher besorgt um das marktwirtschaftliche Image des Vereins, denn um andere Dinge, haben leider auch nicht verstanden, dass auch sie eine Verantwortung für das Gesamtbild des 1. FC Saarbrücken tragen. Wenn sie in diesem Falle eine differenzierte Aufarbeitung der Vorkommnisse als „Anti-FCS-Propaganda“ bezeichnet, trägt leider dazu bei, dass Rassismus in deutschen Fußballstadien mehr Akzeptanz erfährt, als das Vorgehen gegen Fremdenfeindlichkeit. Michael Kipp beschreibt es treffend: „Auf einen Fußballverein heruntergebrochen heißt das: Alle müssen mitarbeiten. Fans, Ordnungsdienst, Polizei, Vorstand, Fanbetreuung – sie müssen alle für dieses unsensible Thema sensibel sein.

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