2014 blickt die Fußball-Welt auf Brasilien. Das FCSBlog möchte in dieser Zeit nicht auf den Zug aufspringen und schlichte WM-Berichterstattung bieten. Stattdessen schaut Reihe “Der FCS bei der Fußball-Weltmeisterschaft” auf die Berührungspunkte zwischen der großen Fußballbühne und seiner derzeit nur noch sehr kleinen Randerscheinung 1. FC Saarbrücken. Wie beim letzten Mal geht es um einen, der überall Erfolg hatte – außer im Saarland.
Es gibt eine Legende, die sich hartnäckig hält. Sie ist dabei nicht nur selbst jungen Fans bestens bekannt, sie findet immer wieder den Weg in die deutschlandweite Presse, meist in Klickstrecken, Auflistungen kurioser Fußballfakten oder ähnlichen Rückblicken. Die Rede ist von Michel Platini und seinem gescheiterten Wechsel zum 1. FC Saarbrücken 1976.
Verzerrte Geschichte
In manchen dieser Rückblicke oder auch in Erzählungen taucht das Gerücht auf, der damalige Trainer Slobodan Cendic habe den „schmächtigen“ Platini nicht verpflichten wollen. Stattdessen habe er sich lieber für den Angreifer Marc Berdoll, ebenfalls ein Franzose, entschieden – eine glatte Verdrehung der Tatsachen. Tatsächlich kam der FCS erstmals 1975 in Mannheim mit dem heutigen UEFA-Boss in Berührung: Der Lothringer spielte mit einer französischen Auswahl gegen die Deutsche Nationalmannschaft der Amateure und gewann 2:0. Für den DFB auf dem Feld: Egon Schmitt und Heinz Traser.
Streit zwischen Trainer und Präsidium
Nach dem Aufstieg in die Bundesliga 1976 wollte Slobodan Cendic die Mannschaft nach seinen Vorstellungen verbessern. Das Problem: Der Vereinsvorstand ist anderer Meinung als der Jugoslawe. Felix Magath (HSV) und Frank Holzer (Braunschweig), Mittelfeldmotoren im Aufstiegsjahr, gehen. Cendic will sich nun die Dienste von Platini sichern und hat zunächst gute Chancen: „Platoche“ ist zwar einer der kommenden Stars in Frankreich, aber eben nur ein „kommender“ Star. Er hat erst eine Erstligasaison mit dem AS Nancy (31 Spiele/22 Tore) und ein Länderspiel hinter sich. Vielversprechend, aber erst 21 Jahre alt und bei einem eher kleinen Verein aus dem benachbarten Frankreich. Cendic verhandelt mit Platini, der Franzose ist interessiert. Doch das Präsidium will nicht, spricht Cendic die Kompetenz für Transfers ab. „Einen Franzosen wollte man schon gar nicht verpflichten“, kommentierte der Trainer später. Platini sollte bis 1979 in Nancy bleiben, um dann bei Saint-Étienne und Juventus Turin zu einem der besten Spieler aller Zeiten zu werden.
Nicht auf Deutschland vorbereitet
Und doch änderte der Vorstand seine Meinung und verpflichtete – ohne Cendic zu informieren. Dieser war gerade im Urlaub, als er von der Verpflichtung von Marc Berdoll aus der Zeitung erfuhr. Berdoll schoss in 179 Spielen 97 Tore für seinen Heimatverein Angers, war bereits 1973 für die französische A-Nationalmannschaft aufgelaufen. Und doch wurde Cendic nicht warm mit dem neuen Stürmer. Zum einen wurde er dem Trainer einfach vorgesetzt, zum anderen bezweifelte Cendic die Robustheit des Neuzugangs.
Im seinem zweiten Spiel für den FCS konnte sich Berdoll bei einer Niederlage in Dortmund zum ersten und einzigen Mal in die Torschützenliste der Blau-Schwarzen eintragen: 1:2 hieß es am Ende. Schon damals kam Berdoll nicht mehr mit dem in Deutschland üblichen harten Training zurecht. Zudem wurde er zum Politikum, da Cendic andere Spieler im Sturm vorzieht, der Vorstand aber auf dem Stareinkauf besteht. Der Vorstand beurlaubte Cendic, aber auch unter Manfred Krafft bleiben die Probleme. Nach 17 Spielen endete das Abenteuer des 440.000 Mark teuren Neuzugangs, der zwischenzeitlich als „Marc Bordell“ verspottet wurde. In einem bemerkenswerten Interview mit France Football nach seinem Abgang nannte er zum einen die harte Gangart im deutschen Fußball, sowie die Sprachbarriere als Gründe für sein scheitern.
Vorrundenaus in Argentinien
Für 300.000 Mark geht Berdoll zum Traditionsclub Olympique de Marseille und findet den Torriecher wieder: 20 Tore in seiner Comeback-Saison in der ersten französischen Liga und das Ticket für die Weltmeisterschaft 1978. Frankreich landet in einer „Todesgruppe“ mit Italien, Ungarn und dem Gastgeber und späteren Weltmeister Argentinien. Nach zwei verlorenen Spielen gegen die Squadra Azzura und César Luis Menottis Mannschaft gibt es den Ehrensieg im Turnier gegen Ungarn. Beim 3:1 gegen den Vizeweltmeister von 1954 durfte sich auch Marc Berdoll in die Liste der Torschützen eintragen – eines seiner fünf Tore in 16 Länderspielen.
Berdoll kehrte nach einigen Jahren in Marseille zu seinem Heimatverein Angers zurück und beendete in den 1980ern seine Karriere. Später sollte er ganz in die Nähe von Saarbrücken zurückkehren: Nach Saint-Avold, wo er einige Zeit in der städtischen Verwaltung tätig war. Seinen Platz in der FCS-Historie hat er weniger als späterer WM-Fahrer, sondern leider als Teil einer der größten vergenen Möglichkeiten des Vereins erhalten.