Falsches Wutbürgertum

undihrGestern Abend gab es im Saarbrücker Stadtrat zwei wichtige Entscheidungen. Zum einen darüber, ob das Kombibad in Altenkessel zum Teil und das Freibad in Dudweiler komplett geschlossen werden sollten. Zum anderen darüber, ob die Stadt ihren Anteil zur Ludwigspark-Sanierung beiträgt. Sie ahnen sicher schon, welches Thema die Massen eher bewegte. Die Bäderschließung scheiterte im Stadtrat, die Stadionsanierung wurde – wie erwartet – angenommen.

Und doch scheint das irgendwie nicht zu genügen. Einzelne User auf ludwigspark.de verballhornen weiter Baudezernentin Wandel-Hoefer als „Schandel-Hoefer“ und in den ersten Kommentaren mischen sich Enttäuschung und sogar Neid auf den neuen Fußball-Tempel, der gerade in Elversberg entsteht. Spätestens jetzt hoffe ich irgendwie, dass die Kommentare nicht repräsentativ für die gesamte Fanszene stehen. Es wäre zu peinlich.

Häme falsch platziert

Ich kann den Enttäuschten die Enttäuschung zwar nicht zur Gänze absprechen. Allerdings ist eine Enttäuschung im Juli 2013 ein Stück weit aufgesetzt – und richtet sich auch nicht immer an die richtigen Adressaten. Die Spitzen gegen Baudezernentin Wandel-Hoefer sind spätestens seit dem aktuellen Stadionkonzept und dem Auftritt der Architektin in der Villa Blau-Schwarz ein Zeichen dafür, dass der Spötter selbst wenig von der Materie versteht. Die handwerklichen Mängel des ersten Entwurfs (Stützpfeiler auf der Haupttribüne) sind von vorgestern, der aktuelle macht aus den nun drastisch gekürzten Mitteln nun doch etwas relativ vernünftiges. Als einziger Kritikpunkt bleibt die fehlende Überdachung aller Blöcke – hier lassen Stadt und Land tatsächlich viele im Regen stehen.

Britz ließ den Ludwigspark vergammeln

Aber wer sind denn jetzt die richtigen Adressaten? Charlotte Britz wird mit den Worten „Ich will nicht OB einer Stadt sein, in der alles vergammelt ist“ zitiert. Dann sollte die SPD-Politikern mal schauen, wie lange sie schon der Stadt vorsteht. Im Oktober 2004 wurde folgte sie auf Interims-Oberbürgermeister Kajo Breuer. Zur gleichen Zeit fand im A-Block des Ludwigsparks die Betonierung der Stehränge statt – die letzte größere Sanierungsmaßnahme im Steh- und Sitzplatzbereich des Ludwigsparks. In ihrer ersten Amtszeit als OB hat Britz keine sichtbare Sanierung des Stadions angestoßen – sie ließ das Stadion vergammeln.

Borgards Untätigkeit nicht vergessen

Auch nicht unschuldig ist der jetzige Präsident des 1. FC Saarbrücken: Paul Borgard. Der CDU-Politiker war lange als Sportdezernent der Stadt Saarbrücken in Stadionfragen zuständig und lehnte so etwa Mitte der 2000er den Verkauf des Stadions seitens der Stadt an den damaligen FCS-Präsidenten Hartmut Ostermann ab. Stattdessen versprach Borgard auf einem Fanmeeting im März 2005: „Man sieht dem
Ludwigspark an, dass in den letzten zehn, 15 Jahren wenig Geld in ihn investiert wurde, doch wenn der FCS in der Liga bleibt, wird der Ludwigspark Zug um Zug
modernisiert.“ Der Klassenerhalt wurde geschafft, ein Jahr später stieg der FCS ab. Die Stadt spielte auf Zeit und gewann. Ich stelle mir schon ernsthaft lange die Frage, wie Borgard glaubwürdig bei Stadt und Land für ein neues Stadion kämpfen kann. Die Wahrheit ist: Das konnte er nie.

Denn der Kampf um mehr Geld für die Sanierung wurde nicht gestern im Stadtrat verloren, sondern lange vorher. Als Diskussionen sowohl öffentlich, als auch im politischen Hinterzimmer liefen, reichte es dem Wutbürger im FCS-Trikot, täglich den eigenen Abscheu gegen „die Damen vom Grill“ und die Politik im Allgemeinen per Internet kund zu tun. Das mag ganz nett sein und sicher auch den ein oder anderen CDU- und SPD-Fanboy beim Drüberlesen gestört haben. Aber das Internet ist gerade in der Lokalpolitik immer noch eines: Schnell ausschaltbar. Auch immer wieder per E-Mail zu kritisieren, stellt irgendwann nur noch den Spamfilter vor Belastungstests. Sonst niemanden.

Kein wirklicher Protest

Als klar wurde, dass in der Stadionfrage die Entscheidung gegen Neubau und für Sanierung gefallen war, gab es mit dem Protestplakat an der Victor’s Vortribüne den ersten Schritt aus dem Internet raus, in die Wirklichkeit, wo sich eben nun mal noch die meisten Politiker der Altersklasse Britz und Kramp-Karrenbauer befinden. Sicherlich eine löbliche Aktion, allein viel zu spät und viel zu klein. Zum Vergleich nehme ich jetzt mal die gestrige Demonstration in der Innenstadt gegen die Bäderschließungen: Knapp 500 Menschen zogen durch Saarbrücken für den Erhalt ihrer Schwimmbäder – am Tag der Abstimmung und mit wochenlanger Vorbereitung und Initiativen.

Innerhalb der Saarbrücker Fanszene gab es während der heißen Phase, als vielleicht noch mehr für das neue Stadion drin war, nur viel Geschwätz. Aber keinen Kampf. Deswegen ist spätes und falsches Wutbürgertum jetzt einfach nur verzichtbar. Wichtiger ist es jetzt darauf zu gucken, dass bei der Sanierung in der Umsetzung möglichst viel für die Zuschauer herausgeholt wird.

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13 Antworten zu Falsches Wutbürgertum

  1. electrolutz schreibt:

    Gut gemacht Schreiberling.

  2. FCS_TIM schreibt:

    ich finde es gut dass der lupa-charme iwo doch bleibt,nicht das alte baufällige,sondern einfach der gewisse charme,den viele vereine hergeben,viele gäste fahren gerne hierher,weil sie sagen,hier kann man supporten ohne einschränkungen,keine lästigen fahnenverbote und so..vllt ist das alles besser so! Lieber kein 0815 tempel,dafür aber ein verein der die mieten bezahlen kann ! Kann also die Kritik nur im Bezug auf den Zeitpunkt verstehn,das ganze hätte 10 jahre vorher schon klappen müssen..

  3. FV Saarbrücken schreibt:

    Mehrheitlich richtig, was du schreibst.
    Allerdings hast du etwas,meiner Meinung nach entscheidendes vergessen, was aber in den üblichen Foren nicht gelesen werden möchte.
    Weder die Stadt Saarbrücken,weder das Saarland noch die überwiegende Bürgerschaft unseres Bundeslandes haben eine Affinität zum FCS.
    Der FCS ist und bleibt für viele der Hassverein im Saarland. Als Gründe werden gerne immer noch Alsenborn, die Benachteilgung des FK Pirmasens und Borussia NK zugunsten des FCS und die verschiedenen „unglücklichen Präsidenten“ angeführt.
    Ich denke in keinem Bundesland wird der führende Fussballverein so wenig gelitten und gemocht, wie im Saarland.
    Wie schon von dir erwähnt -in Essen, Offenbach und St.Pauli etc. wären tausende zur Demo angerückt. In Saarbrücken reichts gerade ein von Fans finanziertes Transparent in Arial 8.

    • Carsten schreibt:

      Naja, das halte ich auch für einen Reflex, den man mal kritisch überprüfen sollte. Ist dem wirklich so, dass alle anderen Vereine der Republik in ihrer Stadt politisch unterstützt werden? Warum haben wir dann dieses Jahr noch mal einige prominente Insolvenzen?

      Der Blick über den eigenen Tellerrand schadet nicht. Und selbst wenn der FCS noch immer ein besonderes Hassobjekt der saarländischen Politik wäre, ist das noch lange keine Erklärung dafür, dass es in Saarbrücken keine großen Demos gab.

      • FV Saarbrücken schreibt:

        Carsten, ich dachte auch weniger an die Politiker, die nicht besonders viel vom FCS halten sondern eher an das gemeine (Zuschauer) Volk. Du wirst bestimmt in deinem Umfeld auch schon die verschiedensten Aussagen gehört haben: „Geh fort mit dem FCS“, „Skandalclub“, „ich war sie früher gucken- aber jetzt nicht mehr“, „wenn sie ein Stadion wollen, dann sollen sie es auch selbst bezahlen“ „Assiclub mit Assifans“ etcetc. Im Saarland identifiziert man sich eben nicht mit dem FCS und es ist eben nicht sehr schick, sich als FCS Fan zu outen.
        Dass es keine großen Demos gab, liegt mit Sicherheit auch an der zerstrittenen Fanszene und den genügsamen Fans, die die großartigen Zeiten des FCS in den 70er und 80er Jahren nicht selbst miterleben durften.

    • Carsten schreibt:

      Verglichen mit Vereinen mit Aachen, ist da unsere Fanszene wirklich „zerstritten“?

      • FV Saarbrücken schreibt:

        Ich denke schon – es muss doch einen triftigen Grund geben, wenn sich Fans nicht auf eine Ecke (oder von mir aus auch Kurve) einigen kennen, um ihren Verein zu unterstützen.
        Wenn ich mir anschaue, wieviel Fans im E, im F und vereinzelt noch in D rumstehen kann ich nur zu dem Urteil kommen, dass sich Fans unseres FCS nicht mal beim Standort zu einem Kompromiss durchringen können, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Der Manschaft die bestmögliche Unterstützungzu bieten.

      • Carsten schreibt:

        Aber ist das tatsächlich genug, um die Fanszene als „zerstritten“ zu bezeichnen?

  4. Koch Jörg schreibt:

    Ich bin schon ewig HSV-Fan, aber auch „Saarländer“! Das Kapitel Ludigspark läuft doch schon eine ewige Zeit. Und jetzt stehen die Gegnerische Fans „TOTAL IM REGEN“ !!!!!!!
    Das ist ein Armutszeugnis für das Saarland!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

  5. Nitro schreibt:

    Und so einer wie Paule Borgard ist allen
    Ernstes Präsident beim FC.Sind wir so arm das wir so einen Blender und Selbstdarsteller an der Vereinspitze haben? Das haut dem Fass den Boden raus,es wird Zeit für Neuwahlen.

  6. Semper Fidelis schreibt:

    Nagel auf den Kopf getroffen.
    Die Wurzel allen Übels sitzt im Vorstand unseres Vereins, die noch den Nerv haben den Stadionerweigerer zum Präsidenten wählen zu lassen. Ganz zu Schweigen von den Versprechungen die getätigt wurden, um einen gewissen Prof. Leo Petry in den Vorstand zu heben.
    Hoffentlich ist das noch in den Köpfen der engagierten Mitglieder wenn Neuwahlen sind.
    Denn das Verhalten einiger Vorstands- und Aufsichtsratsmitgleder ist hochgradige Vereinsschädigung und sollte mit Ausschluß geahndet werden.

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