Fazit 2012/2013

Seit der Saison 2006 ziehe ich zum Saisonende ein ausführliches Fazit in meinem Blog, seit 2010 auch – mit Unterbrechungen – für Ludwigspark.de. Das war anfangs relativ einfach, standen am Ende dieser Jahre meist Auf- oder Abstiege, die eine Saison in ihrer Bewertung ziemlich deutlich ausfallen ließen. Doch was ist mit dem dritten Klassenerhalt in Folge? Je nachdem wessen Urteil gehört wird, pendelt die Saison zwischen einem wahren Seuchenjahr mit knappen Happyend bis hin zu einer ganz ordentlichen Runde. Im Folgenden werden Einzelaspekte der Spielzeit 2012/2013 noch mal in die Kritik genommen.

1. Präsidium und Aufsichtsrat

Reizthema Stadionzustand

Reizthema Stadionzustand

Das Präsidium und der Aufsichtsrat des 1. FC Saarbrücken sind so schwach wie schon lange nicht mehr – und das darf wörtlich verstanden werden. Angefangen beim Drama um den Stadionneubau, wo sich der vermeintliche politische Einfluss von Reinhard Klimmt als Luftnummer entpuppte. Stadt und Land lehnten einen Neubau ab, versprachen eine „Sanierung im Bestand“. Klimmt, der vor seiner Wiederwahl für den Aufsichtsrat vor einigen Jahren noch stolz Zusagen aus der Staatskanzlei und dem Rathaus präsentierte, behauptete in der Sendung „Blau-Schwarzes Sofa“, dass eine „erhebliche Verbesserung der Situation“ erreicht wurde. Eine Meinung, die er exklusiv haben dürfte. Dass er mal seine Wiederwahl an einen Stadionneubau knüpfte, hat er augenscheinlich vergessen. Ob im restlichen Aufsichtsrat auch wirklich der Aufsicht nachgegangen wurde, weiß leider niemand – im Bericht des AR auf der Mitgliederversammlung tauchte nicht an einer Stelle die Arbeit des AR auf.
Schon fast tragikomische Züge hat die Präsidentschaft von Paul Borgard. Der Mann, der wohl nie wirklich Präsident werden wollte, sprang von einem Fettnäpfchen (Schalke-Spiel) ins Nächste (Brunnenprojekt in Afrika, dann Fußball-Schule, etc.). Egal wer den Ex-Sportdezernenten in der Außendarstellung berät: Er macht etwas Grundlegendes falsch. Der Presse muss ein Präsidiumsmitglied nicht unbedingt erzählen, dass die Zukunft des Vereins auf Autofahrten besprochen wird. Oder dass man selbst nicht groß in die Gespräche ums Stadion involviert war, sorgt zwar berechtigterweise für Mitleid auf einem Fantreffen. Aber ein Präsident sollte sich eigentlich anders verhalten.
Harald Ebertz – der sich in der BILD gerne zu sportlich erfolgreichen Zeiten als „Architekt“ des sportlichen Erfolgs mitfeiern ließ – blieb eher im Hintergrund. Durch Reinhard Klimmt erfuhren wir, dass er nicht der Sportdirektor des Vereins ist, aber durchaus bei den Vertragsverhandlungen am Tisch sitzt.
Dieter Weller, dem schon länger Ambitionen auf das Präsidentenamt nachgesagt werden, sorgte nur einmal für Aufsehen: Auf der Mitgliederversammlung verkündete er unter allgemeinem Beifall, dass er sich für das Schalke-Spiel „schäme“. Sonst war der sonst medial präsente Schatzmeister zuletzt aus den Zeitungen verschwunden.

2. Trainer

Foto: Leuchtturm/Oldforest.de

Foto: Leuchtturm/Oldforest.de

Jürgen Luginger hat nun die längste Amtszeit eines FCS-Trainers seit über 30 Jahren vorzuweisen. Nächstes Jahr geht der Franke in seine vierte Spielzeit als Cheftrainer, seine zweite ohne den Sportdirektor Dieter Ferner. Das täuscht nicht darüber hinweg, dass Luginger nie vollends unumstritten ist, schon gar anonym von Präsidiumsmitgliedern in der Presse angezählt wurde. Am Ende hat er sich trotz Schwächephasen behauptet.
Luginger wollte an seinen Standardformationen der Vorsaison festhalten und ließ wieder mit einem formellen 4-5-1 oder 4-1-4-1 spielen. Seine Rechnung ging zu Saisonbeginn nicht auf, da sein System zu sehr von Marcel Ziemer abhängig war – der sich gleich im ersten Spiel verletzte. Andere Spieler konnten den Ausfall nicht kompensieren. Die kompakte Größe des Kaders wollte Luginger mit möglichst flexiblen Spielern auffangen – was sich rächte, da nicht alle Spieler wirklich mit fremden Aufgaben zurechtkamen.
Angezählt von wirklich allen im und um den Verein gelang Luginger aber beim Spiel gegen Karlsruhe (0:0) ein Befreiungsschlag, der eng mit einer Systemumstellung verbunden war – ein nominelles 4-4-2 mit einem offensiveren Sven Sökler, dem mehr Freiheiten im Spiel nach vorne zugestanden wurden, zeigte im letzten Moment ein weiteres Merkmal von Jürgen Lugingers Arbeitsweise. Luginger kann taktisch erfolgreiche Anpassungen vornehmen, allerdings ist die Suche nach diesen Umstellungen sehr zeitintensiv.
Ob es zuletzt am Training liegt, dass so viele Verletzungen bei FCS-Spielern mit dem Wort „Schambein…“ beginnen, lässt sich als Nicht-Sportmediziner schwer sagen. Allerdings ist diese Baustelle unbestritten, ebenso die Verpflichtung von mehreren Spielern, die sich später als Langzeitverletzte herausstellten. An dieser Stelle muss auch die Frage auftauchen: Welchen Anteil an solchen Verpflichtungen hat die medizinische Abteilung des 1. FC Saarbrücken? Wie gründlich wurden medizinische Checks durchgeführt? Fragen, die kein Fan beantworten kann, aber deren Beantwortung sicherlich so einige interessiert.

3. Neuzugänge

Die Bilanz an Neuzugängen fällt 2012/2013 durchwachsen aus. Dreizehn Neuzugänge (ohne dem schon zuvor ausgeliehenen Adam Straith) gab es im Laufe der Saison. Viele von ihnen entziehen sich aufgrund langer Verletzungszeiten einer Bewertung. Als die größten Verstärkungen erwiesen sich Tim Stegerer und Benedikt Fernandez, die beide allerdings eher zufällig in die Startformation gerutscht sind, da sie eher für die Oberliga (Stegerer) oder als Notnagel (Fernandez) verpflichtet wurden.
Durchwachsen zeigte sich das Jahr für Tim Knipping, Sercan Göcer und Kevin Maek. Anfangs mit eher schlechten Leistungen steigerten sie sich zuletzt und wurden Stützen im Team oder zeigten zumindest erste gute Leistungen. Michael Müller, designierter Marina-Erbe, verlor seinen Stammplatz verletzungsbedingt und nach Fernandez’ starken Partien.
Enttäuschend waren vor allem die Leistungen von Markus Hayer, Nicolas Jüllich und Marcel Sökler. Kiyan Soltanpour, Felix Dausend, Artur Schneider und Pascal Pellowski kamen – teils verletzungsbedingt, nur auf wenig Einsätze im Team. Die Bilanz der Neuzugänge muss in der kommenden Saison definitiv besser werden.

4. Mannschaft

Im Tor dauerte es die komplette Hinserie, bis die Nummer eins gefunden wurde: Benedikt Fernandez setzte sich mit starken Leistungen gegen Enver Marina und Michael Müller durch – nicht zu Unrecht kritisierten viele das lange festhalten von Luginger an Marina.

In der Abwehr wechselten sich Licht und Schatten ab. Sinnbild dafür ist Kapitän Marc Lerandy, der von Beginn bis Mitte der Saison mit der Dritten Liga überfordert schien und erst in der entscheidenden Phase der Saison wieder an frühere Leistungen anknüpfte und der Abwehr Stabilität verlieh. Einen soliden Job machte „Einwurfspezialist“ Tim Stegerer, der in seiner modernen Interpretation der Außenverteidigerrolle besser abschnitt als der eben dafür verpflichtete Nicolas Jüllich. Lukas Kohler spielte ebenfalls meist auf der defensiven Außenbahn, war aber vor allem dann auffällig, wenn er mit nach vorne ging. Seine Defensivarbeit bleibt weiter ausbaufähig. Tim Kruse – oft in die Abwehr beordert – sah dort zu Saisonbeginn zunächst noch passabel aus. Dieser Eindruck revidierte sich später. Für Aufsehen sorgte Tim Knipping, der vor allem in der Rückrunde zeigte, wieso das Abwehrtalent in Kassel hoch gehandelt wurde. Adam Straith musste mehrmals auf die ungeliebte Außenposition rücken und blieb oft glücklos.

Das Mittelfeld wurde 2013/2014 zur Problemzone des 1. FC Saarbrücken. Leistungsschwankungen von Akteuren, die in den Vorjahren eigentlich feste Stützen im System von Jürgen Luginger waren, erforderten viele Umstellungen – verständlich, dass dies zu Lasten einer eingespielten Mannschaft ging. Trotz einiger schwachen Auftritte (in Offenbach etwa) blieb Sven Sökler das Maß der Dinge. Mit fünf Toren und 15 Vorlagen hatte er seinen Anteil am Erreichen des Klassenerhalts und setzte vor allem nach der Systemumstellung in der Rückrunde viele Akzente. Kein anderer Mittelfeldakteur kommt auf annähernd stabile Leistungen: Marius Laux verlor seinen Stammplatz im Team, sein vermeintlicher Nachfolger Yannick Bach überzeugte die Verantwortlichen nicht ausreichend von seinem Können. Auch bei anderen Akteuren wie Manuel Stiefler, Kevin Maek oder Christian Eggert wechselten ordentliche und unterirdische Leistungen sich ab. Ufuk Özbeks Können blitzte nach der Systemumstellung kurz auf, wurde dann aber durch eine Verletzung gestoppt. Serkan Göcer – lange Zeit verletzt – schaffte es zuletzt in die Stammelf und zeigte vor allem Ballsicherheit.

Im Sturm wäre eigentlich eine Zweiteilung angebracht: Marcel Ziemer und der Rest. Ziemer war allein mit 16 Treffern unangefochtener Toptorjäger in blau-schwarz – obwohl er nur 27 Ligaspiele absolvierte. Zum Vergleich: Die restlichen Stürmer kamen zusammen auf zwei Ligatore, eines davon erzielte der 36-jährige Michael Petry. Ziemers Stärke ist durchaus nicht immer von Vorteil für den FCS, da sich gerade zu Saisonbeginn ein großes Abhängigkeitsverhältnis zeigte, das sich während Ziemers Verletzungspause rächte. Ziemer selbst kann hierfür nichts – wohl aber die sportliche Leitung und Trainer Luginger, deren „Plan B“ zunächst ungenügend ausfiel.

5. Punktspiele

Highlight: Trikot-Aktion in Karlsruhe

Highlight: Trikot-Aktion in Karlsruhe

Schon nach dem ersten Spieltag (1:0 beim VfB Stuttgart II) erreichte der FCS die Höchstplatzierung in der Saison: Rang fünf. Danach lief es gegen starke Gegner (Osnabrück, Bielefeld) eher unglücklich – der FCS verlor meist knapp. In der Mitte der Saison pendelte sich der FCS in der oberen zweiten Tabellenhälfte ein, sprich Platz zehn bis dreizehn. Ab dem 21. Spieltag kam es dann vermehrt zu Niederlagen, die auch spielerische und taktische Schwächen offenlegten – nach dem 0:2 in Offenbach rutschten die Blau-Schwarzen auf den 17. Tabellenplatz ab.
Anschließend zog Saarbrücken mit einer Serie von neun Spielen ohne Niederlage zum Klassenerhalt – trotz Abstiegsgefahr rutschte die Mannschaft kein einziges Mal auf einen direkten Abstiegsplatz. Mit dem elften Tabellenplatz wurde letztlich das Saisonziel von einem einstelligen Tabellenplatz verpasst (dass es vor drei Jahren einmal hieß, das Ziel sei der Aufstieg in drei Jahren, blende ich hier einmal aus).

6. Pokalsaison

Das Organisationsdesaster in der ersten DFB-Pokalrunde überlagerte am Ende die 0:5-Niederlage gegen Schalke 04, die relativ gelassen aufgefasst wurde. Jürgen Luginger sprach gar von einem „Bonusspiel“ – eine Wortwahl, die er hoffentlich im nächsten Jahr nicht mehr benutzt.
Im Saarlandpokal lief es hingegen erwartungsgemäß und am Ende steht der dritte Sieg in Folge zu Buche – damit dürfte Jürgen Luginger wohl schon jetzt als Trainer Geschichte im Saarlandpokal geschrieben haben. Bereits in der fünften Runde traf man auf den Erzrivalen aus Homburg und gewann mit 2:0, mit dem überraschenden Ausscheiden anderer potenzieller Konkurrenten war der Weg frei für die Titelverteidigung.

7. Fans

Bundesweit standen die Fans 2012/2013 oft und manchmal vielleicht zu sehr im Fokus der Berichterstattung. Anlass war das Sicherheitspapier von DFL und DFB, das mit einer Reihe von diskussionswürdigen, teilweise demokratiefeindlichen Forderungen aufwartete. Die Saarbrücker Fanszene beteiligte sich erwartungsgemäß an den Protesten.

Aufgrund der Ligenzugehörigkeit war Saarbrücken aber eher am Rande Teilnehmer in dieser letztlich ganzgesellschaftlich geführten Diskussion. Im Juli setzte Präsident Paul Borgard noch vorschnell seine Signatur auf die Tafel der Teilnehmer der Berliner Sicherheitskonferenz, nach Druck seitens der Fanszene änderte sich die offizielle Haltung des Vereins aber im Dezember. Borgard und Klimmt forderten die Überarbeitung des Papiers.

Ein großer Einschnitt entstand durch die Diskussion um ein neues Stadion und die Entscheidung von Stadt und Land, nur eine Sanierung im Bestand durchzuführen. Weite Teile der Fanszene schienen danach gelähmt, wenngleich es seitens der Ultraszene fast kaum Reaktionen gab. Dies mag aber wohl auch daran liegen, dass es hier keine einheitliche Meinung zum Stadion gibt und viele seit jeher einen lieb- und leblosen Neubau ablehnen. Lediglich eine gemeinsame Banneraktion von Fans sorgte für etwas Aufsehen, großen Ankündigungen zum Trotz gab es noch keine Demonstrationen vor dem Rathaus. Allerdings kündigte Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer nach einem Gespräch mit mehreren Fans an, einen „Nutzerbeirat“ für die anstehende Sanierung einrichten zu wollen. Man darf gespannt sein, ob diesem Konstrukt dann wirkliche Mitentscheidungsrechte eingeräumt werden.

Fans werden von Polizisten beim Feiern behindert.

Fans werden von Polizisten beim Feiern behindert.

Des Weiteren gab es bei der Polizei einen wichtigen Wechsel. Peter Becker, der Leiter der St. Johanner Polizei, gab den Stab an Udo Schneider weiter. Becker, von den Fans stets respektiert, hinterließ Schneider ein schwieriges Erbe, wohl auch weil dem „Neuen“ der Ruf eines Hardliners anlastete. Von der Beckerschen Gelassenheit und Dialogfähigkeit ist auch in jüngster Zeit nicht mehr viel zu spüren: Bestes Beispiel waren die Feiern von Saarbrücken- und Nancy-Fans in der Innenstadt, in der ein völlig überzogenes Polizeiaufgebot Vorbehalte und Ängste schürte.
Aber auch in den Spielen gegen Karlsruhe und Rostock zeigte sich die Polizei überfordert und schaffte es nur bedingt, der Herr Lage zu werden. Nachdem der Einstand eher misslungen ist, liegt viel Arbeit vor Schneider, will er nicht die Arbeit seines Vorgängers zunichte machen.

8. Mein persönliches Fazit

Eine Saison, wie sie abschließend kaum schwieriger zu bewerten ist. Persönlich schienen sich Höhen und Tiefen abzuwechseln – wobei gerade auf organisatorischer Seite die Tiefen deutlich überwiegen. Die Beschäftigung mit dem 1. FC Saarbrücken bedeutet stets Anstrengung – aber immerhin hänge auch ich an diesem Verein. Auch deshalb sollte jedes Fazit immer wieder verdeutlichen: Keine Saison darf schon im Vornhinein abgeschenkt werden, auch wenn wichtige Stützen den Verein verlassen. Dieser Verein ist stets für Überraschungen gut – im Guten wie im Schlechten.

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Eine Antwort zu Fazit 2012/2013

  1. Nicky schreibt:

    Schöner Bericht mit gewohnt klarer Kante, habe ich gerne gelesen und mich oft dabei ertappt das ich es ähnlich betrachte…

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