Nein, nicht die längste Anfahrt zu einem Heimspiel seit Bestehen des Blogs. Aber welchen Aufwand die Exilanten haben, wenn sie denn noch so im Bereich des Spielbesuchsmöglichen leben, ist bemerkenswert. Und das sieht man erst, wenn man selbst einer ist. Auch nur für kurze Zeit.
Ein Praktikum hat mich derzeit nach Ludwigsburg verschlagen. Angesichts der letzten Leistungen der Männer in blau-schwarz trotz der ersten richtigen Dauerkarte seit der Saison 2004/05 kein Grund, in tiefe Trauer zu verfallen, wenn das dann heißt: Ich werde einige Heimspiele verpassen. Schade wäre es vielleicht um das Geld, aber was ich in dieser Saison bislang für mein Geld zu sehen bekommen habe, führt mich zu dem Schluss: Geld ist ja doch nicht alles.
Und doch liegt Ludwigsburg ja nicht so weit weg vom Schuss, der Karlsruher SC ist ein attraktiver Gegner und in Baden-Württemberg gibt es ja erwiesenermaßen den ein oder anderen Exilanten, dachte ich mir. Dank der Hilfe von Exilant Peikler und der Deutschen Bahn fand ich mich also trotz eigentlicher Abwesenheit um 12.30 Uhr dort wieder, wo ich an Samstagen doch noch am Liebsten bin. Im Ludwigspark.
„Dó hinne is Karlsruhe!“
„Heit morje sinn zwei Busse Karlsruher ins Nauwieser Viertel!“
Angesichts angereister Badener Massen war die Stimmung zu diesem Zeitpunkt doch ruhig. Zumindest am Stadion. Später sollten sich diverse Medienberichte über schlachtähnliche Zustände im Nauwieser Viertel verbreiten. In der Mundpropaganda hörte sich doch alles noch so spaßig an. „Änns se null fier Saarbrigge!“ Oder so. Mit dem Ergebnis wäre ich auf dem Platz eigentlich auch froh gewesen.
Dort spielte ein gegenüber dem Bielefeld-Kick leicht veränderter FCS. Luginger behielt seine Doppelspitze aus Sven Sökler und Ufuk Özbek bei. Vermutlich hat er irgendwo im Fernsehen gesehen, dass es gerade „in“ ist, Spielsysteme ohne gelernten Stürmer auszuprobieren. So wie Luginger ziemlich viel Taktik dort abkupfert, wo sie gerade gut funktioniert. Nach dem Motto: Lieber gut kopiert als schlecht selbst gemacht. Die letzten Wochen bestanden leider eher aus schlechten Kopien. Für den gesperrten Lukas Kohler debütierte Artur Schneider im Mittelfeld, Marcel Ziemer saß leicht angeschlagen auf der Bank. Weder sah oder hörte man etwas von Winterneuzugang Kiyan Soltanpour. Noch bestätigte sich das Gerücht, Oldie Michael Petry säße auf der Bank. Eigentlich schade.
Der FCS hält mit
Zur allgemeinen Überraschung überstand der FCS in dieser Formation die erste Angriffsphase der Karlsruher. Die Abwehr wirkte zu Beginn noch unsortiert und anfällig, der KSC nutzte diese Phase aber nicht aus. Stattdessen fing sich der FCS. Vor allem Ufuk Özbek – auch wenn Exilant Peikler hier widersprechen würde – zeigte, dass ihm die neue Position zu gefallen scheint. Immer anspielbar ließ er sich auch zurückfallen und verteilte Bälle, war aber auch vor dem Tor gefährlich und hatte die beiden besten Torchancen für den FCS, unter anderem mit einem Volley an die Latte des KSC-Gehäuses. Aber auch die Karlsruher hätten in der ersten Halbzeit in Führung gehen können. Koen van der Biezen verzog freistehend vor Benedikt Fernandez und traf nur in den verwaisten D2-Block. In der Halbzeit war das Gros der Zuschauer mit dem 0:0 durchaus wohlgestimmt und Teile wohl auch überrascht.
Sökler mit der Chance zum Sieg
Nach dem „Pausentee“ (Bernhard M.) hatte gleich Sven Sökler, Reizfigur der beiden letzten Spiele, die Führung auf dem Fuß. Ein langer, sich gefährlich wegdrehender Schuss wurde von KSC-Keeper Dirk Orlishausen gerade noch so touchiert…Pfosten! Pech in einem bislang ordentlichen Auftritt der Molschder, der auch auf den Rängen mit der scheinbaren Übermacht des Tabellenführers mithalten konnte. Trotz rund 2000 Gästefans blieb die Anfeuerung der Badener weit unter meinen Erwartungen und war dem notorisch lethargischen Heimpublikum nicht überlegen.
In der Folge machte es der FCS dem KSC weiter schwer und blieb ein unbequemer Gegenspieler. Das Angriffsspiel des Favoriten blieb auf der Strecke und der FCS sicherte sich mehr Ballanteile. Vielleicht war diese Phase auch in einem bis dato überzeugenden Spiel stellvertretend für die Misere der letzten Wochen: Trotz vielen Ballgewinnen blieben Chancen Mangelware. Die spannende Frage wird sein: Wen nimmt Luginger aus seinem 4-4-2, wenn Ziemer wieder fit ist? Kehrt Luginger wieder zur alten Taktik zurück, wäre das ein Eingeständnis der eigenen Ideenlosigkeit. Schafft er es, neben den erstarkenden Sökler und Özbek einen Ziemer einzubauen, könnte das im Abstiegskampf entscheidend sein.
Aber genug von der Taktik geschwafelt: Es nützt nichts, wenn die Konzentration zum Ende hin flöten geht. Karlsruhe versuchte es in den letzten zehn Minuten mit einem Dauerfeuer, schraubte die eigenen Eckballstatistik in die Höhe und scheiterte schon fast unglücklich an Benedikt Fernandez. „Dóó hann se gebettelt“, sagte ein anonymes Mitglied der Familie Brix über diese Schlussphase. Glück, dass es nicht so kam, aber auch Pech, dass Sökler in der letzten Gelegenheit des Spiels den Ball zu weit vorlegte, statt einfach mal den Abschluss zu suchen.
Dranbleiben
Nach dem Spiel die üblichen Gedankengegänge, die üblichen Pros und Contras in der Trainerfrage. Naiv ist es, nach einer guten Leistung der Mannschaft dem Trainer alle taktischen Fehler der laufenden Saison zu verzeihen. Das würde ich allenfalls bei einem Sieg im DFB-Pokal gegen den 1. FC Kaiserslautern gelten lassen. Aber das 0:0 gegen den nun ehemaligen Tabellenführer Karlsruher SC ist in den bisherigen 27 Spielen in der 3. Liga auch nur ein Punkt von bislang 27 Punkten. Das macht einen Schnitt, der gefährlich in Richtung Abstiegsplätze geht. Eine motivierte Mannschaft haben die Zuschauer gestern zweifelsohne gesehen. Allerdings sind Trainer nicht nur für die Motivation zuständig. Luginger muss auch in taktischer Hinsicht die Mittel finden, um den FCS in der Liga zu halten. Erst dann zeigt sich der Wert des Remis gegen den KSC.
Danke für den Spielbericht. Hat sich ja für Dich gelohnt, aus Ludwigsburg anzureisen.
Als FCS-Exilant im hohen Norden (wie Du weißt: Hamburg), der so gut wie keine Chance hat mal eben so in den Ludwigspark zu fahren, war ich froh, dass ich die Partie gestern wenigstens live am TV verfolgen konnte. Der Punkt ist deshalb so wichtig, weil er der Mannschaft wieder Selbstvertrauen geben wird. Auch das ist enorm wichtig, wenn man darum kämpft, die Klasse zu halten.
Ich hoffe, dass Luginger jetzt auch mal Vertrauen hat, bei der nächsten Umstellung nicht Ziemer zu Ungunsten von Özbek aufzustellen. Das wäre wichtig.