„Wem gehört der Fußball?“ – Unter diesem Motto lud der öffentlich-rechtliche Sender PHOENIX fünf Menschen ein, denen der Fußball wohl auch nicht gehört. Es ergab sich eine Diskussionsrunde, die für aufmerksame Verfolger der Debatte um Gewalt in Stadion nichts Neues brachte und auch sonst mehr an der Oberfläche herumstocherte.
Andreas Rettig, DFL-Geschäftsführer, Steffen Simon, WDR-Sportchef, Reinhold Gall, Innenminister in Baden-Württemberg, Philipp Köster, 11 Freunde und Philipp Markhardt von ProFans – eigentlich hatte der Sender schon mal die richtige Zusammensetzung getroffen – keine zwei Fronten, sondern durchaus Konfliktparteien, die auf mehreren Ebenen Dissonanzen und geteilte Meinungen besitzen. Deutlich wurde dies, als mitunter Rettig und Simon den einzigen Politiker der Runde, Gall, gemeinsam angangen. Das war dann aber auch schon der interessantere Teil des Abends.
PHOENIX und die falsche Neutralität
Einen Kardinalfehler begann der Ausrichter der Diskussion, PHOENIX, bereits vor Beginn der Runde. Es wurde ein Werbespot gezeigt, in dem sich die Bundesligarechteinhaber in relativ eingängigen Bildern und einfältigen Worten für „100 Prozent das Spiel – 0 Prozent Gewalt“ aussprach. PHOENIX, als Gemeinschaftsprojekt von ARD und ZDF, hat also bereits vor der Debatte seinen Standpunkt geklärt, statt als neutraler Schiedsrichter – Fußballmetapher – das Spiel erst einmal laufen zu lassen. Obendrein bekam der Zuschauer wieder einmal die falsche Vermengung von Pyrotechnik mit körperlicher Gewalt präsentiert.
Auch sonst waren die Rollen klar verteilt. Markhardt als einziger Fansprecher und spürbarster Außenseiter, der bei der Ausführung eines spannenden Gedanken über die Sozialisation in den Kurven von der Moderatorin Christina von Ungern-Sternberg unterbrochen wurde: „Wer oder was sind denn die Ultras?“
Danke Frau von Ungern-Sternberg! Auf diese Frage muss man nach Monaten der öffentlichen Debatten in allen Medien überhaupt erst noch einmal kommen.
Galliges Gerede
An anderer Stelle hätte die Moderatorin durchaus unterbrechend auf ihre Gäste einwirken können, vor allen Dingen bei Reinhold Gall. Der Innenminister hatte gefühlt die meisten Redeanteile, trug aber nur selten mit wesentlichen Äußerungen zum Fluss der Diskussion bei. Man erfuhr viel Allgemeines und wenig Konkretes aus „seinem Bundesland“. Entlarvend zeigte er sich in der Gewaltdebatte mit seiner Ansicht, es habe früher nie Gewalt beim Fußball gegeben. 11-Freunde-Kösters richtiger Einwand, in den 70ern und 80ern habe es viel mehr Ausschreitungen in den Stadien gegeben, gaben Gall als jemanden preis, der sich erst seit 2006 überhaupt mit der dortigen Situation beschäftigt. Auch Galls Antwort auf den Einsatz von V-Leuten präsentierten den SPDler nicht im besten Licht: „V-Leute sind Einzelfälle.“
Ja was denn auch sonst bitte? Oder würde es etwa Sinn machen, wenn die Kurven mit V-Leuten überfüllt wären?
Der Rest der Diskussion verlief für den interessierten Zuschauer nicht wirklich gewinnbringend. Andreas Rettig redete sichtlich mehr, als ihm eigentlich lieb war. Philipp Köster redete wirklich nur dann, wenn er Lust darauf hatte und/oder von der Moderatorin dazu gedrängt wurde. Und Steffen Simon hätte sicher liebend gerne mehr geredet, hatte aber insgesamt relativ wenig zu sagen.
Ein Plädoyer für weniger TV-Kritik in Nachrichtenportalen
Ich habe hiermit mal das gemacht, was mir die großen Nachrichtenportale schon viel zu häufig als Nachricht verkaufen: Ich beschreibe das, was ich am Vorabend im Fernsehen gesehen habe und kommentiere. Nicht wirklich anspruchsvoll also, was wohl an den Sehgewohnheiten der Zuschauer liegt, sowie mittlerweile an den Lesegewohnheiten der Nachrichtenleser. Und denen kann man wirklich nicht böse sein, denn sie trifft keine Schuld am Niveau der beschriebenen Sendungen. Aber man kann Abhilfe schaffen, indem man den wirklichen Dialog nicht den Fernsehrunden überlässt. Die PHOENIX-Talkrunde hat niemanden weitergebracht.
Man kann allerdings auch mal positiv erwähnen, dass in so einer Runde überhaupt Vertreter aller (oder zumindest mehrerer) involvierter Parteien zu Wort kamen. Üblicherweise reden ja nur die einen über die (aber nicht mit den) anderen.
Steffen Simon hat mich ein bisschen positiv überrascht. Leider hat ihn niemand darauf aufmerksam gemacht, dass u. a. seine Kommentatoren die Sache überhaupt erst furchtbar aufbauschen, aber dann wiederum bei der Vierschanzentournee die tolle Atmosphäre mit Bengalos loben.
Einerseits wirklich gut, dass mal mehr Meinungen am Tisch waren als üblich. Andererseits war es weniger Diskussion als Meinungsaustausch ohne Mehrwert.
Stimmt schon – letztlich wurden nur die bekannten Fakten und Standpunkte wiederholt. Aber letztlich ist es mir lieber, dass man hinter verschlossenen Türen konstruktiv diskutiert und am Ende mit einem gemeinsamen Ergebnis wieder rauskommt (so wie jetzt mit Rettig anscheinend wieder möglich), als dass man erst im TV zum ersten mal die Position der Gegenseite erfährt.
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Positiv fand‘ ich es auch, dass mit Fanvertretern diskutiert wurde. Aber ansonste teile ich die Kritik. Nach 40 Minuten hatte ich genug, auch weil die Moderatorin immer wieder die falschen Akzente setzte und nicht nachhakte, wenn es mal spannend wurde. Ich hatte jedoch auch nicht viel erwartet…