Angst, nackte panische Angst vor dem Abstieg. Das ist es, was ich in den Gesichtern meiner Nebenleute nach dem Abpfiff der 1:2-Niederlage gegen Alemannia Aachen sah. Es endete zwar gerade erst der vierte Spieltag für uns, aber sie alle hatten den Beginn der Saison 2006/07 erlebt. Auftaktsieg in Ingolstadt und danach ging es rapide bergab. „Die Liga zu Gast beim Meister“, der später abstieg. Klare Gedanken? Pustekuchen.
Aber der Reihe nach. Ich hatte erst bei anregenden Gesprächen in der sogenannten „Villa Blau-Schwarz“ noch eine Pizza Diavolo verdrückt, ehe ich meinen Stammplatz im E2 bezog. Das Stadion füllte sich für einen Dienstagabend relativ schnell und doch besser als erwartet, was auch an den Aachener Gästen lag, die doch in guter Anzahl im C-Block ihre Zelte aufschlugen. Mit dem obligatorischen Sicherheitsabstand zwischen den Aachen Ultras und der Karlsbande. Beide Gruppen sollten während des Spiels übrigens auch desöfteren unterschiedliche Gesänge anstimmen. Was natürlich allenfalls von den Zuschauern im A-Block bemerkt werden konnte. Aber dazu später mehr.
Auf dem grünen Rasen hatte Jürgen Luginger sich dafür entschieden, wieder auf die Innenverteidigung aus Marc Lerandy und Adam Straith zu bauen. Kevin Maek musste zum Duell mit seinem Ex-Klub auf die Bank, Christian Eggert übernahm den Part des zweiten Sechsers neben Tim Kruse. Auch im Sturm gab es wieder eine Änderung: Der gebürtige Saarbrücker Felix Dausend bekam seine Chance von Anfang an. Auf Aachener Seite durften die aus Erst- oder Zweitligazeiten bekannten Gesichter Albert Streit, Sascha Rösler und Aimen Demai von Beginn an ran.
In der Anfangsphase zeigte der FCS bereits, dass das Mittelfeld die zahlreichen Ausfälle und Umstellungen der letzten Zeit gut kompensierte. Immer wieder liefen die Kombinationen über mehrere Stationen bis an die gegnerische Strafraumgrenze. Bei Aachen stockte der Ball dagegen schon oft ab der Mittellinie, was sich in gefährliche Ballverluste umwandelte. Die beste und kurioseste Chance ergab sich, als Aachen-Keeper Tim Krumpen einen Rückpass seines Mitspielers nicht mehr erreichte und der Ball knapp am Tor vorbeirollte. Die Blau-Schwarzen hatten einige, aber noch lange nicht zwingenden Möglichkeiten. Auch Aachen kam zu ersten guten Chancen.
Das Tor sollte aber für die Heimseite Fallen. Nach einem Eckball schlief die Aachener Verteidigung, Krumpen klebte auf der Linie und Adam Straith wuchtete den Ball zu seinem Tordebüt für den FCS ein – 1:0. Wenige Minuten später hätte wieder ein Eckball eine zweite Torpremiere bringen können. Tim Stegerers Kopfball konnten nur der Pfosten und ein glücklich positionierter Abwehrspieler in schwarz-gelb aufhalten. Mit der Führung ging es in die Pause.
Zur zweiten Halbzeit wechselte ich erst einmal kurz in Richtung A-Block. Wo ich sonst Leuchtturm-Redakteur Jochen um seine Einschätzung frage, stand diesmal Schulkollege und Dillinger Lokallegende Helge (man erinnere hier an seinen ersten Auftritt im Blog). Er stand nun also im A-Block, mit einem weiteren ehemaligen Schulkameraden, wo dieser erst einmal mit großen Erstauenen vernahm, dass ich wohl jedes Spiel besuche, sofern ich es denn kann. Mit der Zeit wurden wir aber alle still und lauschten dem A-Block-Publikum, das zu Pöbeleien gegen den Aachener Anhang aufgelegt war. Eine Frau schrie sich mehrere Minuten lang den Leib aus dem Hals: „Ihr hann doch all nix zu esse, Ihr krien doch all nur Hartz IV! Ich kann Euch nimmé siehn!“
Damit war der unterhaltsame Teil des Spiels aber schon beendet.
Als ich mich wieder auf den Weg an meinen ursprünglichen Platz machte, war bereits der Ausgleich für Aachen gefallen. Ein eher harmlos ausschauender Freistoß an der Mittellinie von Albert Streit flog an den Fünfmeterraum, Enver Marina lief zu spät heraus, Sascha Rösler hielt die Rübe hin – Tor in der 51. Minute. Wieder einmal stellte sich das Herauslaufen bei hohen Bällen als Schwäche beim FCS-Schlussmann Marina heraus.
In der Folge schien der 1. FC Saarbrücken wie gelähmt, brachte kaum noch die Kombinationen der ersten Halbzeit zustande, was wohl auch an der Umstellung in Aachens Mittelfeld lag. Ralf Aussem brachte für den eher schwachen Demai den jüngeren Timo Brauer.
Ab der Schlussviertelstunde wurden die FCS-Vorstöße in der Entstehung dann wieder ansehnlicher, es fehlte aber merklich eine Bindung zwischen Stürmern und Mittelfeld. So kam es, dass der Ball meist über den linken Flügel an die Grundlinie getragen wurde. Und statt einer Flanke bedienten sich Sökler oder Stegerer mit Pässen in den Rückraum, wo der Ball entweder verloren oder weit über das Tor geballert wurde.
Auf der Gegenseite reichte Aachen dann eine gelunge Aktion für drei Punkte. Albert Streit konnte eine Flanke aus dem Halbfeld vor das Tor von Enver Marina bringen. Zwei Aachener und ein FCS-Verteidiger (!) kämpften um das Leder, Marina sah wieder unglücklich aus und der Schwede Freddy Borg netzte ein – 1:2. Der FCS warf mit den eingewechselten Maek, Marius Laux und Marcel Sökler noch einmal alles nach vorne, konnte sogar noch zwei Großchancen durch Kruse nach schöner Passstaffette und Marcel Sökler per Kopf. Brachte alles nichts – der FCS starb wieder einmal in Schönheit.
Am Ende wirft die dritte Niederlage in drei Spielen natürlich Fragen auf: Ist der FCS ohne Marcel Ziemer überlebensfähig? Muss Marina endlich ausgetauscht werden? Vor allem letzteres ist schwierig zu beantworten. Ein Torwartwechsel wäre ein Sieg der Populisten, die Marina unter anderem auf der Vortribüne harsch beleidigt haben sollen. Es wäre ein Faktor, der Streit in eine Mannschaft tragen kann. Andererseits sind Marinas Stärken und Schwächen bekannt. Deshalb sind die Gegentore letztlich nicht alleine Schuld des Schlussmanns, sondern einer Abwehr, die zweimal bei hohen Bällen ebenfalls schlief. Was Jürgen Luginger macht, steht noch in den Sternen. Mit Benedikt Fernandez und Michael Müller warten zwei jüngere und ambitionierte Torhüter hinter Marina. Auf jeden Fall kann ich mich nur dem Urteil des SR1-Stadionradios anschließen: „Bei so ’ner Scheiße kanns nur besser werden.“
Danke für den lebendigen Bericht. Wie immer fühlt man sich aus der Ferne – Grüße aus Hamburg an die Saar! 😉 – gut informiert, wenn man Deine Spielberichte liest.
Und zum FCS: schließe mich der im Schlusssatz zum Ausdruck kommenden Hoffnung an: Hoffentlich wird’s )möglichst bald) besser.
In Dortmund wäre ein zweite Saisonsieg mal wichtig, damit das Umfeld zur Ruhe kommt. Gegen Schalke sollte ja hoffentlich keiner so töricht sein und das Spiel als Maßstab für die Liga zu nehmen.